In der Schweiz verzichten immer mehr Menschen auf journalistische Nachrichten – mit spürbaren Konsequenzen für Wissen, Vertrauen und demokratische Teilhabe. Fast die Hälfte der Bevölkerung (46,4 %, +0,7 Prozentpunkte zum Vorjahr) zählt 2025 laut dem Jahrbuch Qualität der Medien des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich zu den sogenannten «News-Deprivierten». Diese Personen nutzen kaum oder gar keine Nachrichten – und wenn, dann meist über Social Media.
Die Studie zeigt, dass News-Deprivierte deutlich weniger Wissen über politische und gesellschaftliche Themen besitzen. Besonders gering ist das Wissen bei jenen, die vollständig auf journalistische Informationen verzichten. Aber auch Personen, die sich ausschliesslich über Social Media informieren, schneiden schlechter ab als andere Gruppen. «Regelmässiger, aktiver Konsum journalistischer Inhalte über verschiedene Kanäle ist damit entscheidend für die Informiertheit der Bevölkerung», sagt Mark Eisenegger, Direktor des fög. Die Folgen sind weitreichend: News-Deprivierte vertrauen Politik und Medien weniger, beteiligen sich seltener an Wahlen und fühlen sich der demokratischen Gesellschaft weniger verbunden.
KI-Chatbots profitieren von journalistischen Inhalten
Ein weiterer Schwerpunkt des Jahrbuchs liegt auf dem Einfluss Künstlicher Intelligenz. Bereits 87 % der Medienschaffenden in der Schweiz nutzen KI-Tools – vor allem für Transkriptionen oder Korrekturen. Gleichzeitig wächst die Sorge, dass der Journalismus den direkten Kontakt zum Publikum verliert, wenn sich Nutzer:innen zunehmend über KI-Chatbots informieren.
Die Untersuchung zeigt, dass journalistische Medien eine zentrale Quelle für KI-Systeme bleiben: Bei Fragen zu aktuellen Ereignissen stammen bei ChatGPT 73,2 % und bei Perplexity 66,5 % der ausgewiesenen Quellen aus journalistischen Medien. Bei Schweiz-bezogenen Themen liegt der Anteil hiesiger Medien bei 36,7 % (ChatGPT) bzw. 47,1 % (Perplexity). Zwei Drittel dieser Quellen kommen von privaten Medien, ein Drittel von der SRG. «Damit profitieren KI-Anbieter in hohem Mass von journalistischen Inhalten – ohne dass Medienhäuser eine Entschädigung dafür erhalten», so Eisenegger.
Publizistische Qualität stabil, Vielfalt nimmt ab
Die Langzeitanalyse zeigt, dass die publizistische Qualität im Vergleich zum Vorjahr stabil bleibt. Allerdings verzeichnet das fög langfristig Rückgänge bei der geografischen Vielfalt und der Einordnungsleistung journalistischer Beiträge. Zugleich wird eine höhere Relevanz gemessen. «Allerdings schrumpft die Reichweite journalistischer Medien weiter, während soziale Medien als Hauptinformationsquelle an Bedeutung gewinnen», sagt Eisenegger.
Die wirtschaftliche Lage der Medien bleibt schwierig: Werbeumsätze sinken, vor allem im Print, während Onlineerlöse stagnieren. Positiv ist jedoch, dass die Zahlungsbereitschaft für digitale Nachrichten erstmals seit vier Jahren um fünf Prozentpunkte auf 22,5 % steigt. Dennoch bleibt die Mehrheit der Schweizer:innen nicht bereit, für Online-News zu bezahlen.
«Unsere Analysen zeigen: Eine informierte Bevölkerung braucht professionellen Journalismus», betont Eisenegger. Wer regelmässig Nachrichten nutzt, zeigt grösseres politisches Interesse und eine klarere politische Haltung. Deshalb fordern die Forschenden, stärker in politische Bildung und Medienkompetenz zu investieren. Zudem müsse der Schutz journalistischer Inhalte gegenüber kommerziellen KI-Nutzungen verbessert werden.
«Ein besserer Schutz des geistigen Eigentums und eine faire Vergütung des Journalismus sind daher berechtigte Anliegen, zumal die aktuelle ‹Opt-out›-Praxis keinen ausreichenden Schutz vor unberechtigtem Zugriff bietet», so Eisenegger.