Seit 2018 wird am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft alle zwei Jahre der Ist-Zustand der Unternehmenskommunikation in der digitalen Transformation untersucht. Leitend ist dabei ein in der Erststudie 2018 entwickeltes Framework, welches die Rolle von Corporate Communications in der digitalen Transformation auf drei Ebenen beschreibt (Niederhäuser & Rosenberger, 2018). Auf der Mikroebene fokussiert die Untersuchung auf die digitale Transformation der Kommunikationsabteilung, auf der Mesoebene auf die Funktion der Unternehmenskommunikation im Transformationsprozess der gesamten Organisation und auf der Makroebene auf das Schaffen von Akzeptanz für den Transformationsprozess in Markt und Gesellschaft.
Trendstudie Schweiz 2022
Die Trendstudie 2022 basiert auf einer Online-Befragung von 133 Kommunikationsverantwortlichen (CCOs) aus Unternehmen, Verwaltungen und Nonprofit-Organisationen in der Deutschschweiz. 12 vertiefende Interviews mit Expert:innen sowie ein Überblick zum aktuellen Forschungsstand vervollständigen das Bild, welches für die Unternehmenskommunikation im Jahr 2022 gezeichnet werden kann. Die Agendapunkte aus der Erststudie wurden hierzu mit den Ergebnissen der beiden Folgestudien abgeglichen, angepasst und erweitert.
Die aktuelle Trendstudie Schweiz 2022 zur Rolle der Kommunikation in der digitalen Transformation zeigt, dass der Unternehmenskommunikation im digitalen Wandel von Organisationen eine immer noch wachsende Bedeutung zukommt. So hat beispielsweise die interne Kommunikation aufgrund der Erfahrungen während der Pandemie, aber auch bei der Mitarbeiterbindung in Zeiten von Fachkräftemangel ihren Status deutlich verbessern können. Akzentuiert haben sich auch weitere für die Unternehmenskommunikation relevante Parameter: Agile Arbeitsformen halten auch bei traditionellen Unternehmen Einzug, Kollaboration wird zunehmend digital oder hybrid (mit Microsoft Teams als grosser Gewinnerin), Arbeitsschritte des Kommunikationsmanagements werden – wenn auch eher langsam – automatisiert, Analytics und der Umgang mit Daten werden je länger desto mehr zur entscheidenden Fähigkeit, um die Zielgruppen zu erreichen. Und der Corporate Newsroom wird zur gängigen Organisationsform, um die Kommunikation in Unter- nehmen disziplinenübergreifend integral zu planen.
Zentrale Aufgabe der Kommunikationsabteilung bleibt jedoch, über gutes Storytelling die strategischen Themen des Unternehmens intern und extern zu vermitteln. Die Vermittlung geschieht zunehmend über Netzwerke, deren Moderation ureigene Aufgabe der Kommunikationsabteilung ist. Ob die digitale Transformation mittlerweile zum operativen Standardprogramm der Unternehmen geworden ist und damit an Dramatik verliert, bleibt vorerst eine offene Frage. Sicher ist, dass sie während des Verfassens dieser Studie im zweiten Halbjahr 2022 von grossen politischen und stark unternehmensrelevanten Themen (u.a. Ukraine-Krieg, Energiekrise, Lieferkettenprobleme, China) in den Hintergrund gedrängt wurde.
Die auf den drei Ebenen von Kommunikationsabteilung (Mikroebene), Organisation (Mesoebene) und Markt und Gesellschaft (Makroebene) modellierten Aufgaben der Kommunikation haben sich seit der Erststudie 2018 nur in einzelnen Bereichen verändert. Interessant ist auch, dass die drei grössten von den Kommunikationsverantwortlichen genannten Herausforderungen für die Kommunikation in der digitalen Transformation in allen drei Studien konstant geblieben sind.
Die ebenfalls im Jahr 2018 zum ersten Mal erhobene und publizierte «Agenda für die Kommunikation in der digitalen Transformation» wurde in mehreren Bereichen überarbeitet, aktualisiert und um zwei Agendapunkte auf insgesamt 12 Handlungsfelder erweitert:
1. Die Unternehmenskommunikation muss beides vorantreiben: die Digitalisierung der Kommunikation und die Kommunikation der Digitalisierung.
2. Die Organisation der Kommunikationsfunktion muss primär ermöglichen, Themenmanagement strategisch zu betreiben. Agilität und Geschwindigkeit entwickeln sich zu neuen Werten in der Kommunikation.
3. Kulturwandel und Technologieverständnis sind die neuen Schlüsselkompetenzen für CCOs. Strategisches Storytelling und Netzwerk-Moderation werden noch wichtiger.
4. Die digitale Transformation erhöht die Heterogenität in der Kommunikationsarbeit. Zum Beispiel in Bezug auf Tools und Kanäle, Zielgruppen und ihre Lebenswelten, Sprache und Narrative. Das Management von Heterogenität und Diversität wird zu einer neuen Kernaufgabe.
5. Die Kommunikation muss technologisch einen Quantensprung machen: KI unterstützte Applikationen werden die Analyse, das Messaging und das Design grundlegend verändern. Standardprozesse werden systematisch automatisiert werden.
6. Die Integration der Kommunikationsfunktionen wird weiter zunehmen, die Zusammenarbeit mit HR, Marketing und IT, aber auch mit den Fachabteilungen, wird wichtiger. Die Kommunikationsabteilung kann eine moderierende Rolle übernehmen.
7. In der virtualisierten Arbeitswelt wird das Binden von Mitarbeitenden ans Unternehmen zu einer Kernaufgabe. Mitarbeitende verlangen nach Purpose, Position und Partizipation. Die Vermittlung dieser Themen ist keine HR-, sondern eine originäre Kommunikationsaufgabe.
8. Die Kommunikationsbefähigung der Mitarbeitenden im digitalen Zeitalter wird zu einem der wichtigsten Aufgabenfelder der Unternehmenskommunikation. Der Kompetenzaufbau sollte nicht nur den Umgang mit digitalen Kanälen und Tools umfassen, sondern auch wahrnehmungs- psychologische Kenntnisse beinhalten.
9. Das Potenzial von Multiplikator:innen für das Kommunikationsmanagement muss regelmässig überprüft werden. Nach aussen wirken nicht nur strategisch eingebundene Marken- oder Produktbotschafter:innen, sondern auch Expert:innen, Politiker:innen, Journalist:innen oder die eigenen Mitarbeitenden.
10. Die Kommunikationsabteilung muss ihr Monitoring und Listening verstärkt auf die Digitalisierung und damit zusammenhängende Themen ausrichten und stellt so eine systematische Outside-In-Perspektive sicher. Sie nimmt beratend Einfluss auf die Entscheide, welche Haltung das Unternehmen zu markt- und gesellschaftspolitischen Themen ein- nehmen soll und wie diese kommuniziert wird.
11. Datennutzung und -sicherheit werden zu Kernthemen der digitalen Transformation und damit auch der Kommunikation. Das Krisenpotenzial ist beträchtlich.
12. Der Kampf um Aufmerksamkeit im digitalen Raum wird zur grössten Herausforderung für Unternehmen. Die strategischen Unternehmensthemen müssen in digital funktionierende Narrative verwandelt werden.
Quellen: zhaw.ch >>; digitalcollection.zhaw.ch >> (Studie)