Immer mehr Jugendliche in der Schweiz integrieren Künstliche Intelligenz (KI) in ihren digitalen Alltag. Das zeigt der aktuelle JAMESfocus-Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom. Demnach haben über zwei Drittel der 12- bis 19-Jährigen bereits ein KI-Tool genutzt – viele davon regelmässig.
Breite Nutzung – mit Altersunterschieden
Laut der repräsentativen Studie, für die 1183 Jugendliche aus der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin befragt wurden, nutzen 71 Prozent der Befragten KI-Tools. Dabei steigt die Nutzungsrate mit dem Alter: Während unter den 12- bis 13-Jährigen etwa die Hälfte auf KI zurückgreift, sind es bei den 18- bis 19-Jährigen bereits 84 Prozent.
Hauptsache nützlich – Schule vor Unterhaltung
Der häufigste Einsatzbereich von KI ist die Informationsbeschaffung. Die Jugendlichen verwenden entsprechende Tools vor allem, um Begriffe zu erklären, Themen zu recherchieren, Lösungswege aufzuzeigen oder Texte zu generieren. Der Einsatz zur Unterhaltung – etwa durch Chatbots oder Bildgeneratoren – ist deutlich weniger verbreitet.
ChatGPT an der Spitze, aber nicht allein
Wenn Jugendliche von KI sprechen, meinen sie oft ChatGPT. Dieses Tool wird mit Abstand am häufigsten verwendet, vermutlich weil es als erstes einer breiten Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stand. Auf den nächsten Plätzen folgen der Snapchat-Chatbot «My AI» und Microsofts «Copilot». Auffällig: «‚My AI‘ ist bei Mädchen besonders beliebt», was laut Studie mit der Beliebtheit von Snapchat selbst zusammenhängt.
Insgesamt nannten die Jugendlichen 67 verschiedene Anwendungen – von DALL·E zur Bildgenerierung bis hin zu Codex für Programmieraufgaben.
Vorsichtiger Optimismus statt Hype
Wie denken Jugendliche über die Technologie, die zunehmend ihren Alltag beeinflusst? Einfache Antworten gibt es nicht. «Die Studie zeigt ein differenziertes Bild: Die meisten stehen der Technologie vorsichtig optimistisch gegenüber. Sie sind nicht bedingungslos euphorisch, sondern reflektiert. Sie erkennen Risiken, sehen aber auch Chancen. Extreme Meinungen – ob euphorisch oder ablehnend – sind selten», erklärt Gregor Waller, ZHAW-Forscher und Co-Studienleiter.
Dabei gilt: Wer KI häufig nutzt, ist ihr gegenüber meist positiver eingestellt. Besonders bei der Informationssuche erkennen Jugendliche den unmittelbaren Mehrwert – was das Vertrauen in die Technologie stärkt.
Geschlecht und Herkunft prägen den Blick auf KI
Einfluss auf die Haltung gegenüber KI haben auch Geschlecht und Lebensumfeld. Mädchen zeigen laut Studie eine deutlich skeptischere Einstellung. Mögliche Gründe dafür sind soziale Prägung, stereotype Rollenbilder oder ein geringeres Selbstvertrauen in technische Fähigkeiten.
Auch der Wohnort spielt eine Rolle. Jugendliche aus Städten sind tendenziell aufgeschlossener gegenüber KI als Gleichaltrige vom Land. «Während städtische Jugendliche wohl stärker mit KI-Technologien in Kontakt kommen, zeigen Gleichaltrige auf dem Land eine höhere Naturverbundenheit und sehen KI möglicherweise als eine Art Gefahr für naturnahe Lebensweisen und direkte zwischenmenschliche Interaktionen», erläutert Jael Bernath, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.
Bildung im Fokus: Zugang ermöglichen, Kompetenzen stärken
KI wird Schule, Ausbildung und Freizeit junger Menschen zunehmend prägen – darin sind sich die Studienautor:innen einig. Der gezielte und verantwortungsvolle Umgang mit der Technologie muss daher frühzeitig gefördert werden. «Wer KI-Tools nutzt, könnte sich über kurz oder lang insbesondere im schulischen und beruflichen Kontext Vorteile verschaffen – etwa durch effizienteres Lernen, eine bessere Bewältigung komplexer Aufgaben oder eine gesteigerte Produktivität», so die Einschätzung des Forschungsteams.
Dazu braucht es neben pädagogischen auch elterliches Engagement. «Die technischen Entwicklungsschritte sind eine grosse Herausforderung. Wir sind gut beraten, dass wir als Eltern und Pädagog:innen uns aktiv um das Thema bemühen, um unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich begleiten zu können», sagt Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom.
Gemeinsam lernen – auch über Risiken
Die Autor:innen der Studie empfehlen, das kritische Denken der Jugendlichen zu fördern – etwa beim Überprüfen von KI-generierten Inhalten. Denn: «KI-Tools werden im Alltag der Jugendlichen breit genutzt, es fehlt aber oft ein differenziertes Verständnis über die Risiken und Chancen von KI – auch bei den Erwachsenen», betont Jael Bernath. Ihr Vorschlag: Jugendliche und Eltern sollten gemeinsam die neuen Technologien entdecken. Im Unterricht seien kreative Ansätze, neue medienpädagogische Formate und didaktische Ideen gefragt.